Vor welcher Auswahl die Jugendlichen doch stehen! Denken wir schon nur an die Vielfalt der Ernährungsformen: Vegan, Vegetarisch, Low Carb, Bio, Nachhaltigkeit, …
Woran sollen sie sich orientieren? An einem Idol? An einem Lebensstil der verspricht, dass wir lange leben? An dem, was in der Gesellschaft Anerkennung bringt? Evtl. dem Aussehen, dem Fitnesszustand, der Leistung?
Früher hat der Sohn den Beruf des Vaters übernommen. Bei der heutigen Berufswahl stehen den Jungen wie auch den Mädchen die Türen offen. Warum überhaupt einen Beruf erlernen, wenn auf dem Internet ohne Berufsausbildung Geld verdient werden kann? Wie wäre es mit Blogger*in?
Früher definierten die Chromosomen XY oder XX unser Geschlecht, heute besteht die Möglichkeit der Wahl. Wenn ich mit der Natur nicht einverstanden bin, habe ich die Möglichkeit dies zu ändern. Die Nase kann ich auswechseln, die Brust verkleinern oder vergrössern, Fett absaugen, …
Die Identitätsbildung eines Jugendlichen beginnt mit der Auseinandersetzung mit dem eigenen Aussehen. In einer zweiten Phase mit den Fragen «Wie werde ich von den Mitmenschen gesehen?», «Wer bin ich?» und «Wer möchte ich sein?».
Und wie finden sie die Antwort auf diese Fragen? Indem sie im Prozess der Selbstfindung verschiedene Rollen ausprobieren und schauen, wie sie auf andere wirken. So kommt es, dass sie oft die Rolle wechseln, bis sie ihre eigene soziale Rolle in der Gesellschaft gefunden haben. Die Jugendlichen versuchen ihr Selbstbild mit dem Bild, welches die anderen von ihnen haben, abzustimmen und sich für eine Identität zu entscheiden. Aus diesem Grund ist für Jugendliche das Abhängen in Gruppen so von grosser Wichtigkeit. Die sozialen Netzwerke bieten den Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine ideale Plattform, um sich auszuprobieren und sich auf verschiedene Arten darzustellen. Sie erhalten durch die Likes eine sofortige Rückmeldung und erfahren, wie sie auf ihre Mitmenschen wirken.
Es ist so wichtig, dass die Eltern sich dieser Phase stellen und diese auch aushalten. Sie geben ihren Kindern die Möglichkeit sich auszutesten, Kräfte zu messen, Grenzen zu erfahren, … Der Dialog, die Rückmeldungen, das Hinhalten des Spiegels sind wichtig für die Jugendlichen. Dadurch erfahren sie eine ideale Begleitung auf der Suche nach ihrem Selbstbild.
Warum setzen junge Menschen Ratschläge und Tipps nicht um? Weil sie immer noch in der Entdeckungs- und Testphase sind. Sie sind sich noch am Entwickeln und Stabilisieren. Erst wenn diese Phase abgeschlossen ist, sind sie bereit Tipps und Ratschläge umzusetzen. Das authentische Erzählen aus dem eigenen Leben dient den jungen Menschen mehr als alle Ratschläge. Ein offenes Ohr, ein Interesse am Jugendlichen, das Teilen der eigenen Werte und das Begründen, warum der Wert für uns stimmig ist, unterstützt sie beim Finden ihrer Identität. Dieser Prozess ist mit dem Verlassen des Elternhauses nicht abgeschlossen. Es ist ganz natürlich, dass junge Menschen auch noch im Alter von 25 Jahren auf der Suche nach ihrem Selbstbild sind.
Diese Test- und Findungsphase braucht viel Energie. Darum ist es nicht verwunderlich, dass junge Menschen sich nur schlecht entspannen können. Die Entspannung tritt erst dann ein, wenn sie nicht mehr genügen müssen.
Eva Gruber